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Zur Geschichte von Libau / Kurland bis 1914 (Seite 11)

 Zur Geschichte der städtischen Selbstverwaltung Libaus - Teil 2

Genealogische Untersuchungen ergaben, daß sich unter den Libauer Ratsherren und Stadtältesten der Großen Gilde nicht wenige befanden, die aus Handwerkerfamilien oder unteren sozialen Schichten stammten. >1< So kam z. B. der Kaufmann Christian Gottlieb Unger, der Stadtältester, Ratsverwandter und schließlich von 1818 bis 1833 Bürgermeister war, aus einer armen Schneider- familie in Memel. >2< Die entscheidende Bedingung, um in höhere städtische Ämter aufzusteigen, war nicht der Besitz eines größeren Vermögens, sondern die Eigenschaft, Kaufmannsbürger zu sein. Auch hieran zeigt sich deutlich, welche beherrschende Stellung der Kaufmannsstand in der Handelsstadt Libau einnahm.

Vom 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert hatte die Große Gilde nicht mehr als 150 Mitglieder, das waren um 1825 etwa 2,3% der Einwohner. >3< Dieser Anteil verminderte sich noch in den folgenden Jahrzehnten, denn 1873 gehörten der Großen Gilde nur noch etwa 200 Familien an, obwohl die Bevölkerungszahl inzwischen stark angestiegen war. >4< Das Beipiel Libaus bestätigt, zumindest bis 1877, die Ergebnisse der neueren Stadtgeschichtsforschung, wonach das demokratisch-kommunale Prinzip in den städtischen Selbstverwaltungsorganen der Frühen Neuzeit nur ansatzweise verwirklicht wurde. >5<

Mit der Einführung der russischen Städteordnung (1877) trat anstelle von Rat und Gilden eine gewählte Stadtverordnetenversammlung. Dadurch hatte zwar die Standeszugehörigkeit an Bedeutung verloren, jedoch war nun entsprechend dem Dreiklassenwahlrecht der Besitz an Vermögen das privilegierende Merkmal. So konnte die deutsche Oberschicht, wenn auch nicht unangefochten, ihre maßgebende Stellung in der Libauer Stadtverwaltung halten.

Eine Stadtbeschreibung, die 1917 in Libau erschien, brachte das im Stil jener Zeit mit den Worten zum Ausdruck: “...obzwar im wirtschaftlichen und geistigen Leben der Stadt immer noch die Führenden, müssen sie (also die Deutschen) 1914, kurz vor dem Ausbruch des Weltkrieges, in schwerem, aber siegreichem Wahlkampf mit den Lettentum um die ihnen gebührende Stellung im Stadtregiment ringen.” >6<

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>1<  Eine dieser Untersuchungen ist z. B. die von Erich Gercken und Arthur Hoheisel, a.a.O.
         Außerdem siehe: Herbert Becker, Zur Genealogie deutsch-baltischer Kaufmannsfamilien in
         Kurland (17.-19. Jahrhundert). In: Herold-Jahrbuch, N.F. 5 (2000). 

>2<  Libausches Wochenblatt vom 23.2.1838 (Nr. 16), S. 1.

>3<  Vgl. Tabelle “ > “ Libau : Bürgerschaft 1684-1825

>4<  Libauscher Kalender für das Jahr 1874, a.a.O., S. 49.

>5<  Siehe Bericht über die 21. Frühjahrstagung des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in
         Münster. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.4.1990, S. N3.

>6<  Führer durch Libau, a.a.O., S. 60.

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